4.31 Zusammengesetzte Hauptwörter (Schimpfwörter)

Sehr reich vertreten sind im Plattdeutschen zusammengesetzte Nomen, bei denen das eine Glied dazu dient, das andere zu veranschaulichen und zu verdeutlichen, damit der Gesamtausdruck stärker und eindringlicher wird.
Besonders zahlreich ist die Gruppe der Schimpfwörter.

Zahlreich sind Schimpfwörter, die sich an einen Vornamen anschließen. Sie werden anfangs einer bestimmten Person beigelegt worden sein, deren schwache Seite man treffen wollte. Später ist die Eigenschaft das Maßgebende geworden, und der Name wurde ganz allgemein verwendet. Hans und Johann werden besonders viel gebraucht, Liese und Trine, aber auch Klaas, Hinnerk, Peter und Kassen. So spricht man von einem …

Hans Dummboort
Hans Naamdag (Zauderer)
Hans Röhrop
Hans Hoochöver
Hans Hasenfoot
Hans Blaffert
Hans Nümmernüchtern
Jehann Unband
Dummerjahn
Klokerjahn
Bullerjahn
Plumperjahn
Dwallerjahn
Drönklaas
Klaasklön
Tüünklaas
Dibberklaas
Gnitterklaas
Stamerklaas
Sausterklaas
Dömelklaas (Tropf)
Klumpklaas
Bullerklaas
Dullklaas (leichtsinnig)
Schrumpelklaas
Hölten-Hinnerk
Tütenhinnerk (Schwätzer)
Slarpenhinnerk
Stolten-Hinnerk
Drönpeter
Nusselpeter
Kniespeter (geizig)
Smuddelpeter
Huulmichel
Sludermichel
Dösbartel
Blaasbartel (Hohlkopf)
Queesbartel
Mars Schrökelbeen
Kassen Haudegen
Malljürn
Fuseljochen

Traantrien
Blarrtrien
Siepeltrien
Triensiepelsch
Sippeltrien
Bingelkatrien
Sludertrien
Sappeltrien
Wimmertrien
Swöögtrien
Sausterkatrien
Hucheltrien
Peektrien (Schmutzliese)
Trippeltrien
Slurrtrien
Töffeltrien
Sieplieschen
Gludderliese
Slarrliese
Fummelfieken
Klöngeesch
Swööggesch
Dreckmeetje
Siebelsüster
Sabbelsüster
Snacksüster
Soelsüster
Jasüster

Auch allgemeinere Bezeichnungen sind gebräuchlich:

Kökenknecht (Topfgucker)
Kniepknecht (Feilscher)
Jabroder (gefügig)
Snackbroder
Klönbroder
Sölbroder
Allmannsfründ

Am häufigsten unter den Schimpfnamen sind die mit einem Beiwort versehenen Tiernamen. Dabei treten außer dem Affen fast nur die Haustiere auf, deren Eigenschaften man genau kennt und auf den Gescholtenen zu übertragen trachtet:

Blarrkater
Brummkater
Klafferkatt
Klaagkatt
Kleikatt
Snuufkatt
Streefkatt speeln (eigensinnig)
Luushund
Schietpudel
vertagen Tittfahl
Mudderjitt
Dwallhamel
Fetthamel
Schrauelschaap (mager)
Kniesbock
Stamerbock
Fickfarken
Puttfarken
Suupfarken
Suupswien
Smullswien
dumm as ’n Winterswien
Slabbersöög
Sludersöög
Neetsöög (verlaust)
Sotteewer
Huushahn (Stubenhocker)
Kullerhahn
Kreihahn
Preithahn
Nestküken
Herrgottsküken (bigott)
Sittgoos
Drosteigoos (langsam)
Piepgoos
Piepgössel
Piepgööschen (kränklich)
Slaapuul
Kruupuul
Kruutuul
Kattuul
Dreckswülk (Maurer)
Freetwulf
Snapprott
Mulaap
Grienaap
Aapkatt

Hier sei angemerkt, dass zur Bezeichnung von Tier- und Pflanzennamen gerne die Namen allgemein bekannter Tiere oder Teile des tierischen Körpers zu Hilfe genommen werden, weil man irgendeine Ähnlichkeit gefunden hat oder aber, um das Derbe und Gewöhnliche in Gegensatz zu dem Edleren und Vollkommeneren zu stellen:

Peerwispel (Hornisse)
Peerknieper (Rosskäfer)
Marspeerd (Marienkäfer)
Peer un Waag oder Kutsch un Peer (Eisenhut, Akonitum napellus)
Fahlenfööt (Blätter des Huflattich)
Schambull (Mistkäfer)
Bullnkruut (Wolfsmilch)
Bulinklau (Bärenklau)
Kohbloom (Caltha palustris)
Kohhacken (Kapuzinerkresse)
Herrgottskoh oder Sünnkalf (Marienkäfer)
Hunnjökel (Stichling)
Hunnbloom (Bellis perennis oder Leontodon taraxacum)
Hunnhoor (Silbergras)
Hasenhoor (Luzula polosa, Hainbinse)
Holtkatt (Kellerassel)
Katerneddel (kleine Brennessel)
Kattenkruut (Malve)
Kattenküüln (Rohrkolben)
Kattenkees oder Kükenkees (Frucht der Malve)
Hahnpoten (Hagebutte)
Höhnerswark (Stellaria media)
Kreihndoorn (Ononis spinosa, Hauhechel)
Kreihnfoot (Kolbenbärlapp)
Goosfleeder (Traubenhollunder)
Kiwittsbloom (Wiesen-Schaumkraut)
Adeboorssnapp (Schwertlilie)
Adeboorsbroot (Frucht der Schwertlilie)
Sprockimm (Ameise)
Snakenkruut (Vielblumige Maiblume)
Apenbeern (Schwarze Johannisbeere)

Vielfach werden Teile des menschlichen Körpers in Schimpfwörtern benutzt, die dann mit einer tadelnswerten Eigenschaft in Verbindung gebracht werden, welche in irgendeiner Beziehung zu dem verwendeten Körperteil steht. Vor allem ist es der Kopf des Menschen, der als Sitz der zu scheltenden Eigenarten herhalten muss

Bruuskopp
Bullnkopp
Döskopp
Dieskopp (eigensinnig)
Dullbreegen (ausgelassen, toll)
Dullkopp (eigensinnig)
Dusselkopp
Dwasskopp
Grüttkopp
Hastigkopp
Jauelkopp
Kielkopp (dickköpfig)
Klüüsterkopp (Grübler)
Knasterkopp (Nörgler)
Körtkopp (hitzig)
Kribbelkopp (reizbar)
Ossenkopp
Quasselkopp
Quesenkopp (Nörgler)
Rappelkopp
Schabülkenkopp
Snakenkopp (häßlich)
Stiefkopp
Stuurkopp
Sprietkopp
Törfkopp
Wrantkopp (mürrisch)

Auch der Mund (Muul, Keek, Boort, Snavel, Snuut), der besonders zur Bezeichnung der Schwatzhaftigkeit oder eines mürrischen Wesens herangezogen wird, findet sich in Schimpfwörtern wieder:

Blabberkeek
Flötzkeek
Labberkeek
Rappmuul
Raastermuul
Ruugmuul
Suurmuul
Babbelboort
Blubberboort
Brummboort
Bruusboort
Drönboort
Grienboort
Knasterboort
Rappsnavel
Blabbersnuut
Flabbsnuut
Fuulsnuut
Dummsnuut
Rappsnuut
Ruugsnuut
Suursnuut
Snutensnacker
Leckertähn
Grootslök

Rotznase und Grünschnabel:

Drievsnuut
Geelsnuut
Küütsnuut
Snabbersnuut
Snappsnuut
Snottsnuut
Dicksnuut (Wichtigtuer)

Bein und Fuß werden gebraucht, um Eigentümlichkeiten des Ganges zu bezeichnen:

Klumpfoot
Klunkerfoot
Kluusterfoot
Klurrhack
Schüffelfoot (nachlässiger Gang)
Slurrhack (schwerfälliger Gang)
Spaakbeen (Schiefbein)
Stolterfoot (Hinkender)

Auge und Ohr werden verwendet in …

Blarroog
Glippoog (Heuchler)
Knippogen und Swiensogen (kleine Augen)
Kittoog (Triefauge)
Plinkoog
Kniepohr (harthörig)
Slullerohr
Sluusohr (dickfellig)

Auch der Körper an sich mit seinen äußeren und inneren Teilen findet in dieser Weise Verwendung:

Reekelrump (Faulpelz)
Dickpans
Dickbuuk
Fettgatt
Kladdergatt
Snatergatt (Schwätzer)
Quicksteert
Wippsteert
Dicksteert
Dröövsteert (Kopfhänger)
Gniddersteert
Plucksteert
Dünndarm (lang aufgeschossen)
Slackerdarm

Andere Bezeichnungen werden von Kleidungsstücken abgeleitet: von Büx, Jack, Kittel, Hoot und Mütz:

Bangbüx
Blabberbüx
Bleierbüx
Bummelbüx
Dammelbüx
Dusselbüx
Smuckbüx
Stamerbüx
Slattjack (Lump)
Swienjack
Fuulwams
Drönkittel
Dwallhoot
Dwasshoot
Faselmütz
Röedelmütz
Tudelmütz

Auch bei Gefäßen und Behältern findet man in irgendeiner Hinsicht Ähnlichkeiten mit dem menschlichen Aussehen und Benehmen. Sie werden häufig in den zusammengesetzten Schimfwörtern als Vergleichsgegenstand herangezogen:

Blabberbüdel
Blarrbüdel
Bleierbüdel
Dröögbüdel
Dröömbüdel
Drucksbüdel
Dummbüdel
Klönbüdel
Knüttbüdel (langweiliger Schwätzer)
Nöötbüdel (geizig)
Schesterbüdel (umherrennen)
Snackbüdel
Tönsbüdel (langweilig)
Tumpbüdel
Tüünbüdel
Tweernbüdel
Duttsack
Fettsack
Krötsack
Lögensack
Sludersack
Geegelpott
Gnadderpott
Gnidderpott
Gnuuspott
Gnurrpott
Peelerpott (ungeschickt)
Plinkpott
Quarkpott
Smaltpott (dick)
Smuulpott (unsauber)
Wrangelpott (unruhig)
Wrantpott
Wrasselpott
Wruckpott (mürrisch)

Slabberbütt
Sluderbütt
Suupbütt

Rappeltasch
Raastertasch
Saustertasch
Töteltasch
Tusseltasch

Sausterkruuk
Suurkruuk

Lögenfatt
Tuutkann (Weinender)
Ruumschöttel (Schwätzer)
Klöterkarn (Karn = Butterfass)
Rödeldoos
Sausterkassen
Klapperbüss
Dösblaas
Slicksleef (Herumtreiber)
Slumpensleef (träge)

Will man mehrere durch seine Schimpfwörter treffen, so gebraucht man gerne für solche Zusammensetzungen -volk, -pack, -tüüg in verächtlichem Sinne (“der Ton macht die Musik”):

Deernsvolk
Görnvolk
Kerlsvolk
Tatervolk
Wievervolk

Fruunspack
Hungerpack
Hunnpack
Jungspack

Aastüüg
Hunntüüg
Rackertüüg
Takeltüüg
Untüüg

Will man seinem Unwillen über schlecht verrichtete oder schwierige Arbeiten, über Schäatzereien, unnützen Kleideraufwand und dergleichen Luft machen, so bildet man gerne Zusammensetzungen mit -kraam:

Backbeernkraam

Bickbeernkraam, Bruddelkraam,
Drönkraam
Fiechelkraam
Flidderkraam
Fluuskraam
Görnkraam
Hökerkraam
Kökerkraam
Kinnerkraam
Klackerkraam
Klöterkraam
Klönkraam
Kröpelkraam
Lögenkraam
Luurkraam
Luus-kraam
Narrnkraam
Nusseikraam
Plünnkraam
Prüünkraam
Pulterkraam
Pünselkraam
Pusselkraam
Puttschoornkraam
Quäälkraam
Schandudelkraam
Schietkraam
Sleepkraam
Sluderkraam
Smeerkraam
Smuddelkraam
Snackkraam
Snarrnkraam
Snauskraam
Snurrkraam
Speelkraam
Stoff un Mückenkraam
Tüünkraam (Hört, hört!)
Tuxkraam
Tweernkraam
Wieverkraam
Wrusselkraam

Auch -wark un -tög werden mit dieser verächtlichen Nebenbedeutung verwendet:

Bandwark
Boortwark
Beenwark
Blomenwark
Deernswark
Fransen- un Krüselwark
Jungswark
Krackenwark
Kruutwark
Liefwark
Maakwark
Muulwark
Rankenwark
Ruugwark
Spillwark
Tähnwark
Veehwark
Weeswark

Hansbunkentög
Jungstög
Uulnspegeltög

(ursprünglich Abschnitt 98 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)