Die Entwicklung hin zur Vereinfachung tritt auch in der Wegwerfung (Apothesis) von Lauten hervor. Hier können nur einzelne FĂ€lle angefĂŒhrt werden.
Das w im Inlaut verschwindet vielfach ganz:
hochdeutsch | mittelniederdeutsch | plattdeutsch |
---|---|---|
Frau | vrouwe | Fru |
treu | truwe | tru |
Klaue | klouwe, klauwe, klawe | Klau |
Ărmel | mouwe, mowe, mawe | Mau |
bauen | buwen | buân |
miauen | mauwen | mauân |
hauen | houwen | hauân |
drohen | drouwen | drauân |
Das r entsteht im Niederdeutschen nur im Anlaut durch Schwingungen der Zungenspitze wie im Hochdeutschen (Zungenspitzen-r; [ÉŸ] im internationalen phonetischen Alphabet), im Auslaut der Silben und Wörter und im Innern des Wortes vor Konsonanten wird es mit so wenig Kraft gebildet, dass es ganz verhallt oder einen schwachen Vokal auszugleichen sucht. Das r wird sozusagen in den vorhergehenden Vokal verlegt:
Johr ([joa] gesprochen etwa: Jo-a)
Peerd ([pe:Éd] gesprochen etwa: Pe-ad)
Bork ([bÉ:k] gesprochen etwa: BĂ„Ă„k)
Barg ([ba:g] gesprochen etwa: Baag)
scharp ([Êa:p] gesprochen etwa: schaap)
Schört ([ÊĆ:t] gesprochen etwa: SchĆĆt)
Korf ([kÉ:f] gesprochen etwa: KĂ„Ă„f)
Vielfach ist das r in der Aussprache gÀnzlich verschwunden, besonders vor t, s, st:
hochdeutsch | mittelniederdeutsch | plattdeutsch |
---|---|---|
BĂŒrste | borste | Böss |
Christian | Karsten | Kassen |
First | verste, varste | Fass |
Gerste | gerste, garste | Gass |
Kirchspiel | kerkspel, karkspel | Kaspel |
Kirsche | kersebere, karsbere | Kassbeer |
quer | dwars | dwass |
Wurst | worst | Wuss |
Wurzel | wortele | Wuddel, Wöddel |
Mitunter bildet sich auch ein neues r aus einem d oder dd
ik harr (ich hatte)
Borm (Boden)
werrer (wieder)
Varrer (Vater)
Die weiche Aussprache des d im Plattdeutschen hat bewirkt, dass es nach langen, betonten Vokalen und vor einem tonlosen e meist ausgestoĂen wird:
hochdeutsch | mittelniederdeutsch | plattdeutsch |
---|---|---|
Fuder | voder | För |
guten Tag | guden (goden) dach | Gundag, goân Dag |
Spur, Geleise | trade | Traâ |
wieder | wedder | weâr |
Beiderwand | beiderwant | Beierwand |
Vielfach fÀllt die ganze Silbe -de aus, besonders auch in Zusammensetzungen:
Peer (Pferde)
Ramaker (Rademacher)
Smee-iesen (Schmiedeeisen)
Leesetter (âGliedersetzerâ, Quacksalber)
Die Silbe -de hat sich jedoch in den abstrakten Hauptwörtern erhalten, die eine MaĂausdehnung bezeichnen:
in de LÀngde, Höchde, Deepde, NÀÀchde
In DoppelausdrĂŒcken erhĂ€lt sich auch mitunter das d von âundâ, indem es zum zweiten Wort hinĂŒbergezogen wird:
op un dop liek dick
se snackt mi noch ĂŒm un dĂŒm
de hĂ€ngt öwer un döwer vull so ân golln Klinglööd (W. 267)1
Rieke wöör öwer un döwer root (Kl., L. 1, 152)2
Das l fÀllt aus in Wörtern wie
as (als)
schaĂ (sollst)
Willem (Wilhelm)
Das g fÀllt aus in Imperfektformen wie
he sÀ
he lee
Das ch fÀllt aus vor s:
Brassen
BĂŒss
Diesel
Flass
Oss
söss
Voss
wassen
wesseln
In zusammengesetzten Wörtern oder wenn zwei Wörter so nahe aneinander gerĂŒckt werden, dass sie wie eins erscheinen, fallen von den zusammentreffenden Konsonanten alle oder wenigstens einer aus:
Hanndook
Kinndööp
Kinnjees
Spredeek
PlaâdĂŒĂŒtsch
Liâweh
Schriâbook
Bofink
Ruriep
daâwi (dat wi)
wĂŒwwi (wĂŒllt wi)
wiâk (will ik)
schaâk (schall ik)
krieâk (krieg ik)
giâmi (giff mi)
Eine KonsonantenhÀufung kommt in der plattdeutschen Sprache im Grunde nicht vor. Zum Vergleich:
Boss (Brust)
Arf (Erbse)
Aavâ (Obst)
fass (fest)
Haav (Habicht)
Heek (Hecht)
Kreev (Krebs)
Auch die durch Abwerfung von Anlauten entstehenden VerkĂŒrzungen sind hierher zu rechnen:
hendal > dal
henlank > lank
eenmal > mal
heraf > raff
heröwer > röwer
herin > rin
herop > rop
herut > rut
(ursprĂŒnglich Abschnitt 28 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Mutterspracheâ)