2.18 Verkleinerungsformen

Bis auf geringe Reste verschwunden ist im Holsteinischen die mittelniederdeutsche Verkleinerungsnachsilbe -ke, -ken (hochdeutsch -chen). Die Verkleinerungsformen (Diminutiva) gehören zu den sprachlichen Mitteln, um Zärtlichkeit und Zuneigung, also Sympathie auszudrücken. Das Plattdeutsche hat nur wenige Verkleinerungsformen.

Im Mittelniederdeutschen wurden -ke oder -ken besonders in Personen- und Tiernamen sehr häufig gebraucht:

Anneken
Abelken
Geseken
Gretken
Hansken
LĂĽdeke
Reinke

Noch in SchĂĽtzes Idiotikon1 (aus den Jahren 1801 bis 1806) ist das -ken nicht selten:

He hett et im Munde as dat Eekerken im Swans (Sch. 1, 287)2
Ik hef mit di en Hönken to plükken (Sch. 2, 154)3
Is’t Höneken rein dod? (Sch. 2,155)3
Huttjepeerdken (Sch. 2,165)3
HĂĽfken (Kuh mit Bless) (Sch. 2, 166)3
He sitt jümmer in sin Käselken (Sch. 2, 231)3
Krömkens sünd ook Brod (Sch. 2, 352)3
Se hett Röseken plantet (Sch. 3, 307)4

Im Westfälischen ist die Endung -ken noch heute gebräuchlich:

Pörtken
Blömkes
Aurikelkes
en Köppken Kaffee
Piepken
PĂĽllken

Im Holsteinischen wird -ken noch in altertümlicher Rede, alten Reimen und Sprichwörtern verwendet:

Tuck, tuck, tuck, mien Höhneken
He freut sik as PĂĽmmelken

In der lebendigen Sprache wurde sie in größerem Umfang auf der Insel Fehmarn gebraucht, wo sie in der Form -acken auftrat:

Sewwacken, (Sewwerken, Käferchen)
Lämmacken
Sünnacken (Marienkäfer)
Bullacken
Gööschacken
MĂĽĂĽschacken
ick bring di een Gnögacken
giff mi een Tähnacken weller

Von niederdeutschen Schriftstellern wird vereinzelt -schen gebraucht in Anlehnung an die Kindersprache oder an das hochdeutsche -chen:

Piepgööschen
Prööschen
lütt Gööschen
Kamerkätschen (W. 241)5
dat lütt Klöckschen (W.184)5
sien egen Hüüs’chen (Gr. 3, 102)6
Kättschen vun de Wicheln (Gr. 3,151)6
Prüüs’chen (F. 2, 269)7
lütt Müüs’chen (F. 2, 234)7
noch anner Stücks’chen (F. 4, 260)8
Sneeglöcks’chen (Lau, K. 25)9
’n lütten Struus’chen (Lau, K. 114)9

Auch die holländische Endung -je ist vereinzelt übernommen worden:

lĂĽttje Antje
en versteken Grientje (Fock, H. G. 116)10
twee moje Meidjes (Mhff. 469)11
Döntje

Bei Schütze12 findet sich diese Endung ebenfalls noch häufiger:

mien bittjen Armöötjen (Schü 1, 48)12
en goot Baantje (SchĂĽ 1, 54)12
he kriggt em bi ’n Slafittje (Schü 1, 319)12
to Gnitterbeetjen slaan (SchĂĽ 2, 46)12
Kluntje (SchĂĽ 2, 289)12
eenen an’t Lientjen kriegen (Schü 3, 40)12
he maakt veel Männtjes (Schü 3, 78)12
dumm Ootje (Otto) (SchĂĽ 3, 161)12
Praatjes (Prahler) sĂĽnd keen Gaatjes (SchĂĽ 3, 229)12

In Mecklenburg tritt -ing sehr häufig als Verkleinerungsnachsilbe auf, in Holstein ist sie gänzlich ungebräuchlich:

Na, Vatting, wo is’t worden?
Schöön, mien Döchting
Du hest recht, mien Kindting
Niching, Kasping?
Man flinking, Diern!
He ist jo al dichting bi
Na, Adjessing auching, lieb Ilsing

Im Holsteinischen werden dagegen Umschreibungen verwendet, gewöhnlich mit Hilfe der Eigenschaftswörter lütt oder oold, um Gegenstände und Personen als verkleinert oder vermindert darzustellen oder um eine Zärtlichkeit und Liebkosung auszudrücken:

Hest recht, mien lĂĽtt Rott
Sitt doch still, lĂĽtt Musch (F. 4, 246)8
Du hest recht, lĂĽtt Paul (F. 4, 138)8
SĂĽh, mien lĂĽtt gode Moder (F. 4, 332)8
LĂĽtt Kathrin aver fung an to quienen (F. 4, 84)8
Nu will ik di mal wat seggen, lĂĽtt Deern (F. 4, 95)8

Das lütt wird mitunter noch mit dem Wort lüür verstärkt:

Dor weer mal’n lüür lüür lüür lütt Fru
Dor kümmt dor so’n ool lüür lütten Jung rut krupen (W. 177)5
Mien ool lütt söde Mudder (Lau, K. 86)9

Auch oold kann ganz entgegen seiner ursprĂĽnglichen Bedeutung alleinstehend oder in Verbindung mit lĂĽtt oder good gebraucht
werden, um Wohlwollen auszudrĂĽcken:

De ool lĂĽtt Deern ween un snuck
Mien ool good’ Jung!
Süh, de ool Deern, kann’s dat ok (F. 4, 92)8
Ach Gott, wat harr se von ehr ool Lieschen-Popp hooln (Lau, K. 29)9
Dor mell sik dat ool lĂĽtt Hart (Lau, K. 10)9
Büst’n oolen gooden Hund (Lau, K. 65)9

Sehr häufig dient oold aber auch dazu, um etwas als unangenehm oder tadelnswert zu bezeichnen:

BĂĽst en ool Goos!
De ool eische Bull! (Lau, K. 10)9
De ool Klock fung an to rödern (Lau, K. 12)9
Ik hadd wedder so’n oolen snaakschen Droom (W. 96)5
Kann den oolen Kraam ni behooln (F. 4, 226)8
Un dat gifft man doch ’n Kinn-JeeĂź, du — du — ool du (Lau, K. 18)9

Abkürzungen und Koseformen von Personen- und Tiernamen sind im Plattdeutschen sehr beliebt und gebräuchlich:

Hanni
Kalli
Guschi
Fiede
Ede
Stina
Trina
Luten
Fiken

(ursprĂĽnglich Abschnitt 47 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)


  1. SchĂĽtze, Holsteinisches Idiotikon, Altona 1800/06 
  2. SchĂĽtze, Holsteinisches Idiotikon, Altona 1800/06: Band 1 
  3. SchĂĽtze, Holsteinisches Idiotikon, Altona 1800/06: Band 2 
  4. SchĂĽtze, Holsteinisches Idiotikon, Altona 1800/06: Band 3 
  5. Wisser, Plattdeutsche Volksmärchen, Jena 1914 
  6. Groth, Gesammelte Werke, Kiel 1893 (Unveränderte Nachdrucke 1898, 1909, 1913, 1918, 1920): Band 3 
  7. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 2 
  8. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 4 
  9. Fritz Lau, KatenlĂĽd, Garding 1910 
  10. Hein Godenwind, Hamburg 1912 
  11. MĂĽllenhoff, Sagen, Märchen und Lieder, Kiel 1845 
  12. Anna SchĂĽtze, Mamsell, Quickborn-BĂĽcher, Bd. 22/23