6.3 Umdeutungen hochdeutscher Wörter

Auffälliger und eigenartiger noch als bei den Fremdwörtern sind die plattdeutschen Umdeutungen hochdeutscher Wörter, die verwendet werden, ohne dass der Zusammenhang mit dem Hochdeutschen noch gefühlt wird. (Anmerkung: Schlägt man aktuelle Wörterbücher auf, scheint es dass Meyers Deutungen heute, 2019, nicht mehr ganz zutreffen. Viele der Wörter haben im Plattdeutschen ihre ursprüngliche hochdeutsche Bedeutung zurückbekommen. Der fast übermächtige Einfluss des Hochdeutschen auf das heutige Plattdeutsch macht sich wohl hier bemerkbar …):

En afsünnerlich Minsch (… zeichnet sich sehr aus)

En lütt barmhartig Ding (… ist ein kleines, jämmerliches Ding)

Mit ’n mal fung he ganz barmhartig (= erbärmlich) an to wenen (Schet. 38)1

Nee, seggt de Buervaagsch, dat is gor to barmhartig antosehn (M., T. 19)2

… goden Bifall ( … hat ein Redner, der nicht nach Worten zu suchen braucht)

Se is heel duurhaftig mit de Armoot (… wenn sie Mitleid hat mit den Notleidenden)

Ik weer ganz entzückt (… war erschreckt)

Se süht man erträglich (= kläglich) ut, is aver billig to Moot (… fühlt sich aber einigermaßen wohl dabei)

En elendiglich moje Weder (Sch. 3, 107)3 (… soll sehr gutes Wetter sein)

De Bodder empöört sik (… wenn sie im Preise steigt)

He keem op den Verfall (Sch. 4, 302)4 (… er verfiel darauf)

He maakt allerlei Vertönungen (Sch. 4, 270)4 (… er schneidet Grimassen)

Unrecht hett sien’ Fortgang (Sch. 4, 313)4 (… hat keinen Bestand)

He is hier in ’n Dörp gangbar (… er kommt oft in unser Dorf)

En ganz gemeen Minsch (… ist sehr leutselig und herablassend)

Se is so gemeen, so niederträchtig un nett (… sie ist gar nicht hochmütig)

Dat Koorn is al bannig giftig (… es steigt im Preis)

En ingemaakte Deef (Sch. 1, 208)5 (… ist ein eingefleischter Gauner)

is al wedder liefhaftig (Sch. 3, 34)3 (… ist wieder genesen/gesund)

is lichfarig to (Sch. 3, 42)3 (… kann leicht gemacht werden)

He wöör ganz rührsam (… war sehr gerührt)

De Aant isen rachgierig Deert ( … ein gefräßiges Tier)

Dat Wedder sett sik op (Sch. 3, 178)3 (… es klart auf)

He harr en Utreed gegen em (Sch. 4, 322)4 (… er schalt ihn aus)

(ursprünglich Abschnitt 124 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)