5.1 Plattdeutsche Satzfügung im Allgemeinen

Im Vorhergehenden sind eine große Zahl von plattdeutschen Ausdrucks- und Stilmitteln genannt worden. Diese Mittel zu kennen und im Plattdeutschen anzuwenden ist die Grundlage die Sprache neben der reinen grammatikalischen Konstrukte zu beherrschen. Da der Einfluss des Hochdeutschen mittlerweile sehr groß geworden ist und immer weiter plattdeutsche Ausdrucksweisen ersetzt, ist es selbst für Menschen sinnvoll, die in der Kindheit mit der plattdeutschen Sprache groß geworden sind, sich diese plattdeutschen Ausdrucksmittel immer wieder vor Augen zu halten. Man ist heutzutage durch das Lesen, Hören und Sehen hochdeutscher Medien und durch das Sprechen des Hochdeutschen geneigt, hochdeutsche Wendungen in das Plattdeutsche hineinfließen zu lassen.

Das Plattdeutsche hat in der Grammatik und in der stilistischen Anwendung seine eigenen sprachlichen Mittel, wie jede andere Sprache auch. Die Mittel sind oft von der hochdeutschen Ausdrucksweise verschieden. An vielen Beispielen wurde im vorangegangenen Kapitel dargestellt, dass das Plattdeutsche kurze und gedrungene wie starke und eindringliche Formen kennt. Die Sprache verwendet gerne eigenartig „volkstümliche” Bilder und Vergleiche, anschauliche Redewendungen und kraftvolle Wörter.

Über allem steht eine besondere, plattdeutsche Satzfügung. Die plattdeutsche Sprache nutzt vorwiegend einfache und kurze Sätze. Diese werden wie Glieder auf einer Kette aneinander gereiht. und stehen oft gleichwertig nebeneinander. Lange Satzgefüge mit untergeordneten Sätzen sind nicht typisch, statt dessen aber nebengeordnete Hauptsätze.

Das Hochdeutsche lebt zum Beispiel, besonders in der geschriebenen Sprache, viel von Konjunktionen. Da wird begründet, vermittelt, beschränkt, ergänzt, zur Diskussion gestellt oder dargestellt. Worte wie insofern, obgleich, dennoch, freilich, zumal, wenn, es sei denn, unter der Bedingung dass werden verwendet, um längere Gedankenketten zu bilden und einzelne Sätze und Satzteile miteinander zu verbinden.

Daraus entstehen dann gerne plattdeutsche Sätze wie:

Man seeg, ehr man sik ordentli umsehn un inricht, so dat man wust, wo man seeker stunn un seeker schoot, dat vun dorheer en ganze Brigaad inrück un dat dat hier hitt hergahn woor. (Gr. 3, 59)

Am meisten aver seet he bi sien Naver Mollt, nich wiel de so neeg bi em wahnen dee, denn he föhl sik noch in de Johrn, wo een dat op’n Schritt mehr nich ankommt; ok nich, wiel he de klöökste weer, denn Mollt sien Kopp höör to de dicksten in’t Dörp, un de ool Mann weer so överglöövsch, dat he keen Katt op’n Böhn sehn kunn, ahn ehr för en ool Hex to hooln. (F. 2, 248 f.)

Diese Art, einen Satz in den andern zu packen, ineinander zu verschachteln oder durch Bindewörter aneinander zu koppeln, ist im Plattdeutschen im Grunde untypisch. Die Gedanken in den Beispielen lassen sich auch ohne diese Bindewörter miteinander verknüpfen. Tut man dies, bekommen zum Beispiel die Sätze im letzten Zitat einen ganz anderen sprachlichen Charakter:

Am meisten aver seet he bi sien Naver Mollt. Aver nich wiel de so neeg bi em wahnen dee. He föhl sik noch so jung, op’n Schritt mehr keem dat nich an. Ok nich, wiel he de klöökste weer. Mollt sien Kopp höör to de dicksten in’t Dörp. De ool Mann weer so överglöövsch. He kunn keen Katt op’n Böhn sehn, ahn ehr för en ool Hex to hooln.“

Die plattdeutsche Sprache und dessen Satzbau sind natürlich dennoch nicht ohne Regeln. Die Satzfügungen sind jedoch lockerer als im Hochdeutschen. Die verschiedenen Möglichkeiten werden in diesem Kapitel vorgestellt.

(ursprünglich Abschnitt 99 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)