4.22 Modale Adverbien

Charakteristisch für die plattdeutsche Sprache sind die vielen modalen Adverbien (modale Umstandswörter, uneigentliche Empfindungswörter), die der Sprache ein ganz eigentümliches Gepräge geben. Diese Wörter dienen nicht zur näheren Bestimmung eines einzelnen Satzteils, üben aber einen bestimmenden Einfluss aus auf die Denk- und Redeweise (Modus) der Aussage. Sie machen den Satz

  • bejahend
  • behauptend
  • verneinend
  • fragend
  • vermutend
  • zweifelnd
  • wünschend
  • fordernd
  • gebietend

Als Beispiel kann das ja dienen, das abgeschwächt zu jo oder je wird und im gesprochenen Plattdeutsch sehr oft gebraucht wird. Das gleiche gilt für nich oder ni, das als auch seinen Weg in die hochdeutschen Umgangssprache in Norddeutschland gefunden hat.

He will dat je nich
Du harrst dat je man nalaten kunnt
Ik lang em de Hand ok je hen
Dat is ok je doch wohr, nich?

Das Wort rein tritt in dieser Weise sehr häufig auf und hat dann mit dem Begriff sauber nichts mehr zu tun:

Dat is rein koolt
Dat is doch rein to dull
De Jungs sünd rein ut Rand un Band
Rein üm nix
Denn mutt ik dat je man rein doon
Swiegt rein still
De Lüüd arbeiden rein ut Dullheit (F. 2, 86)1
Büst du denn rein dwatsch woorn! (F. 3, 61)2
De deit denn jo rein, wat he will (F. 3, 329)2
Ik … verschraak mi rein (F. 3, 325)2
Mien Deern sä rein nix dorto (F. 3, 151)2

Ebenso wird sach, sachs (= wahrscheinlich, wohl) beständig gebraucht, ohne im geringsten an die Bedeutung leise, zaghaft, langsam zu erinnern:

Wieder is he sach ni lopen (F. 2, 186)1
Sien Knecht weer sach de Deef (F. 2, 187)1
Wi spreekt uns sach noch mal wedder (F. 2, 268)1
Dor weern sach wichtige Papiern in (F. 2, 270)1
De poor Schritt … kunnst du sach gahn (F. 2, 241)1
Dat ward mi sach en düür Tass Tee (F. 3, 45)2
De mutt sach na de Armkaat (F. 3, 67)2
Du hest mi sach wat to vertelln (F. 3, 204)2
He harr sach noch veel to hören kreegen (F. 3, 229)2
So an de Kant veertig Daler sünd dor sach (F. 2, 230)1
Ji fraagt sach, worüm ik düt all vörbring (F. 3, 132)2

Das Wort ganz steht in dieser Weise nicht selten für durchaus, der Gebrauch ist in dieser Form aber heute relativ unüblich geworden:

Is ok jo sünnerbar un ganz keen Mood (F. 3, 237)2
Dat ik ehr ganz ni verstahn kunn (F. 3, 252)2
Kruuskopp weer ganz nich na Lachen tomoot (F. 2, 258)1
Dat he … sik ganz nich faten kunn (F. 2, 218)1
Ik … kunn ganz nich rutkriegen, woneem dat wol ween kunn (F. 3, 352)2
Du kannst Di doch ganz nich bargen, Lena (F. 4, 42)3

In ähnliche Weise werden Wörter wie ok, al, so, doch, wull, nu, denn, jichens, afsluuts und andere verwendet:

Nee ok doch!
De Jung weer ok doch to klook!
Em is je wull Tiet un Wiel lang woorn
He weer also hitt noog (F. 2, 186)1

Auch manche Konjunktionen werden in so mannigfaltiger Weise verwendet. Aver z. B. dient nicht nur als Ausdrucksmittel der Entgegenstellung, sondern auch der lebhaften Bejahung und der eindringlichen Bekräftigung:

Dat is aver fein!
Dat geiht aver!
Dat smeckt aver!

Die Anschaulichkeit und Deutlichkeit wird auch in Satzteilen oder Sätzen deutlich, die ausdrücken wollen, dass etwas zu- oder abnimmt. Hierbei kehren die gleichen Bindewörter wieder und wieder:

Je poverer de Pracher, je fetter de Luus
Je mehr man de Katt straakt, je höger beert se den Steert
Dat ward je länger je duller
So de Gast, so de Quast (Sch. 2, 12)4

(ursprünglich Abschnitt 89 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)


  1. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 2 
  2. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 3 
  3. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 4 
  4. Schütze, Holsteinisches Idiotikon, Altona 1800/06: Band 2