1. Gutes und richtiges Plattdeutsch

Die plattdeutsche Sprache stimmt in ihrem Bau im Großen und Ganzen mit der hochdeutschen Sprache überein. Sie hat aber daneben charakteristische Sprachformen und Sprachgesetze, deren Kenntnis und Beachtung aber maßgeblich zu einem guten Plattdeutsch beitragen. Leider wird heutzutage viel in plattdeutsch geschrieben, bei dem diese Überlegungen über die sprachliche Eigenart des Niederdeutschen kaum eine Rolle gespielt haben. Das mag daran liegen, dass der Einfluss des Hochdeutschen mittlerweile so stark ist, dass die Kenntnisse über gutes Plattdeutsch verloren gehen. Grundsätzlich sollte es so sein, dass das geschriebene Plattdeutsch möglichst mit dem gesprochenen übereinstimmt, denn im gesprochenen Plattdeutsch äußern sich die Eigenheiten der Sprache besonders stark.

Viele fühlen sich aber unsicher in der Anwendung sprachlicher und grammatischer Formen. Daher ist verständlich, dass in der plattdeutschen Literatur und im geschriebenen Plattdeutsch allgemein alte niederdeutsche Ausdrücke verschwinden und stattdessen die hochdeutschen Ausdrucksweise vermehrt einziehen. In der Umgangssprache dringen hochdeutsche Wörter und Wendungen ein. Dadurch wird aus dem reinen Plattdeutsch langsam ein vom Hochdeutschen durchsetzten Plattdeutsch, ein Missingsch im schriftlichen und mündlichen Niederdeutschen.

Das ist insofern interessant, als dass es früher genau umgekehrt war. Viele Sprecher des Plattdeutschen konnten kein richtiges Hochdeutsch und daher war deren Hochdeutsch durchsetzt von plattdeutscher Grammatik mit plattdeutschen Ausdrücken und Wendungen. Sie sprachen eben Missingsch. Das gibt es heute fast gar nicht mehr. Aber es gibt vermehrt das Gegenteil: Hochdeutsche Muttersprachler versuchen Plattdeutsch zu sprechen ohne diese Sprache wirklich zu beherrschen. Oft wird dann gesagt: „Im Plattdeutschen kann man nichts verkehrt machen!“ Das ist aber genauso verkehrt, wie man in allen Sprachen richtig oder verkehrt sprechen kann.

Dieser Entwicklung kann nur dadurch begegnet werden, dass wir auf gutes Plattdeutsch achten, dessen Sprachgebrauch und plattdeutsche Formen lernen und verwenden, wenn wir die Sprache nicht selbst von unseren Eltern oder Großeltern in einer Form gelernt haben, die wenig oder keine dem Plattdeutschen fremde Elemente enthält.

Die bisher erschienenen Werke über niederdeutsche Grammatik schließen die Behandlung der syntaktischen Erscheinungen fast gänzlich aus (z.B. die Grammatik von Sass).

Es ist nicht die Absicht des Projektes auf diesen Seiten, eine lückenlose systematische Darstellung der plattdeutschen Grammatik zu bieten. Stattdessen wird in loser Folge alles das behandelt, was nötig erscheint, um allen die mit der Grammatik der hochdeutschen Sprache vertraut sind, zu einem Verständnis für ein gutes und richtiges Plattdeutsch zu verhelfen. Es werden zahlreiche Beispiele eingestreut, die das Geschriebene nachvollziehbar gestalten sollen. In Gegenbeispielen soll auch der fehlerhafte oder unschöne Gebrauch bestimmter plattdeutscher Formen gezeigt werden.

Es handelt sich dabei ausschließlich um Holsteiner Platt, wie es von Klaus Groth, Johann Hinrich Fehrs, Paul Trede, Joachim Mähl, Fritz Lau, Prof. Wisser und anderen gebraucht worden ist. Nur gelegentlich werden plattdeutsche Formen aus den Nachbargebieten zum Vergleich herangezogen.

(Dieser Text basiert auf Abschnitt 26 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)