2.19 Die Vorsilbe -ge

Die Vorsilbe ge- wurde schon im Mittelniederdeutschen bei Hauptwörtern und Eigenschaftswörtern (Adjektiven) selten gebraucht:

na godes bort (Geburt)
to vuller noge (Genüge)
de sworen (Geschworenen)
wonlik (gewöhnlich)

In der guten plattdeutschen Umgangssprache wird auch heute das ge- möglichst vermieden:

Dat is en ring Woort
dat sik ni segg’n lett
dat hett keen Deeg (Gedeihen)
dat is man ring mit em (er ist kränklich)
dat is noog (genug)
Duld un Düür verleern
dat warrst wul wohr warm
mit nauer Noot
wenn man de Saak nau nimmt (M., T. 115)1
en guden Bott (Gr. 3, 53)2
sik dor en Warf maken (Gr. 3, 86)2
sien Petum harr denn en Ruch un Smack, dor kunn nix geegen (F. 2, 289)3
dat woor en ring Koorn … geben (F. 3, 254)4
dor hebbt’s Duld hatt (W. 46)5
dat is hier so Bruuk (W. 107)5
he hett sülb’n nug (W. 39)5

Daneben aber sind vielfach von Schriftstellern hochdeutsche Wörter mit der Vorsilbe ge- übernommen und nachgebildet worden:

Dor woor se den Meister wies
de gelaten den Kopp nüül (Gr. 3, 161)2
sien gerechte Saak (Gr. 3, 55)2
Gewarv (F. 2, 91)3
dat is doch ganz gewiß, Dirk? (F. 4,149)6
wi kaamt froh genoog (F. 4, 336)6
du musst Geduld mit mi hebb’n (F. 3, 142)4
mit Geschrei un Lachen (F. 2, 129)3
allerhand Gebruuken (Lau, K. 61)7

Gebräuchlich ist die Vorsilbe ge- auch im Plattdeutschen zur Bildung
von Hauptwörtern aus Tätigkeitswörterne (Verben):

„Wat en Geloop, Gedräng, Gedröhn, Gesabbel
Gesauster, Gehuchel, Geblaff, Gejaul, Gegrimmel un Gewimmel

Sie bilden Sammelbegriffe und bezeichnen eine Fortdauer der Tätigkeit,
die dadurch unangenehm oder langweilig wird.

(ursprünglich Abschnitt 48 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)


  1. Mähl, Tater-Mariken, Altona 1869 
  2. Groth, Gesammelte Werke, Kiel 1893 (Unveränderte Nachdrucke 1898, 1909, 1913, 1918, 1920): Band 3 
  3. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 2 
  4. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 3 
  5. Wisser, Plattdeutsche Volksmärchen, Jena 1914 
  6. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 4 
  7. Fritz Lau, Katenlüd, Garding 1910