2.9 Der Konjunktiv

Das Zeichen des Konjunktiv (Vorstellungsform) war im Mittelniederdeutschen ein schließendes e. Da dieses e abgestoßen wurde, ist der Konjunktiv im Plattdeutschen fast nicht mehr erkennbar. Nur noch in der dritten Person Einzahl in festen Verbindungen, stehenden Redewendungen und Sprichwörtern tritt der Konjunktiv auf:

Dat geev Gott!
Gott bewahr mi!
Gott seegen di!
Gott help ju!
Gna di Gott!
De Düwel haal di!
Dar slaag doch en Donnerwetter rin!
Dat hool en anner ut!
Dat di de Hahn hack!
Dat di de Katt klei!
Ik wull, dat weer wohr

Im sonstigen Sprachgebrauch fällt der Konjunktiv von der Form her mit dem Indikativ (Wirklichkeitsform) zusammen:

Ik meen, du weerst (seiest) krank
He sä, du harrst (habest) dien schön Peerd verköfft
Ik wull, wi harrn (hätten) dat daan
Meent ji, he weet (wisse) dat nich
Ik bün bang, dat he krank ward (werde)

Man könnte meinen, diese Formen sind dem Sinne nach dem Konjunktiv zuzurechnen. Dies ist aber nicht der Fall. Menschen, die rein mit Plattdeutsch groß werden und dann hochdeutsch lernen, übersetzen die obigen Sätze so:

ich meinte, du warst krank
er sagte, du hast dein schönes Pferd verkauft
ich wollte, wir hatten das getan
meint ihr, er weiß das nicht
ich fürchte, er wird krank

Diese Formen hörte man früher oft, als noch große Teile der Bevölkerung rein plattdeutsch aufwuchsen und erst in der Schule begannen hochdeutsch zu lernen. Es wird also der Indikativ verwendet, wo wir im Hochdeutschen den Konjunktiv erwartet hätten. — Wie im Hochdeutschen und Englischen, so nimmt man auch im Plattdeutschen zum Ausdruck des Wunsches, der Einräumung, der Möglichkeit und der Aufforderung jetzt meistens Umschreibungen zu Hilfe:

Gott schall mi bewahrn!
Dat schull di slech bekamen!
Dat kunn ik sachs doon.
Ik wull wi weern noch kleen, Jehann!

(ursprünglich Abschnitt 37 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)