2.1 Das Verschwinden der Endungen

Das Plattdeutsche hat sich als lebendige Volkssprache, nicht gehemmt durch Druck und Schrift, entwickeln können. Es hat daher mit der Zeit viele Wortendungen abgeworfen und auch sonst allerlei Kürzungen eintreten lassen. Seine Formen erscheinen gegenüber dem Hochdeutschen als knapp und gedrungen. Dies erleichtert oft die Aussprache. Ein Grund für das Wegfallen von Endungen ist auch, dass man im Norden mehr als im Süden des niederdeutschen Sprachgebietes den Hauptton beim Sprechen auffällig stark auf die Stammsilben legt und alle Ableitungs- und Nebensilben so wenig betont, dass sie im Laufe der Jahre vielfach gänzlich verschwanden. Folgen eine Haupt- und eine Nebensilbe aufeinander, so klingen sie wie einsilbig:

Kat’n, sitt’n, Bess’n, Slöt’l

Wo man frĂĽher sagte

se quemen tosamende uppe der heide to bornehovede
uppe deme markte
van eneme halven pennynghe

wĂĽrde heute etwa gesagt werden

se keem’ tosaam op ’e Hei bi Bornhöövd
op ’n Mark
von’ halb’n Penning

Das tonlose e am Ende der Wörter ist überall verschwunden:

hochdeutsch mittelniederdeutsch plattdeutsch
Kirche kerke, karke Kark
Nase nese Nääs
Woche weke Week
alte olde ool
esse ete eet
und unde un

Das verschwundene e äußert seine Nachwirkung noch in einer Überdehnung des Stammvokals, dessen Klangdauer sich vergrößerte, als der nachfolgende kurze Vokal verschwand.

In der Ableitungssilbe -en (besonders in -pen, -ben, -men) im unbetonten Auslaut verändert sich das -n in -m:

z.B. „Jungfer“ > „Jumfer“

Die letzte Silbe wird wie ein m gesprochen, so daß viele Verben, die früher zweisilbig waren, einsilbig geworden sind. Die ausgefallene Silbe wird noch durch eine Überlänge des Schlusskonsonanten angedeutet:

hochdeutsch mittelniederdeutsch plattdeutsch
greifen gripen grip’n (gesprochen: grip’m)
laufen lopen lop’n (gesprochen: lop’m)
haben hebben hebb’n (gesprochen: hem)
bleiben bliven bliev’n (gesprochen: bli’m)
schwimmen swemmen swömm

Auch in den Endungen -el und -er ist das e gänzlich verklungen, die zweisilbigen Wörter klingen so gut wie einsilbig:

Keet’l, Nett’l, Wött’l, Wat’r, Bodd’r, Mess’r, Meß

(ursprĂĽnglich Abschnitt 27 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)