2.6 Beugung der Verben

Durch die Kürzungen der Wörter in der Aussprache entstanden im Plattdeutschen gegenüber dem Mittelniederdeutschen vielfache Verluste an Vokalen sowie in- und auslautenden Konsonanten. Die Verben haben dadurch vielfach ihre Beugungsendungen verloren.

So ist z. B. die frühere Imperfektendung -de im Holsteinischen gänzlich verschwunden:

he verteil mi dat
wi bröch’n em weg
wi heeg’n dat op
ik dach
he meen
he meih
wi bruuk’n
se lach’n em ut

Ist der Auslaut des Wortstammes ein d, so ging auch dieser verloren, ebenso bei „hebb’n, ligg’n, segg’n“. In einzelnen Gegenden erscheint in diesen Fällen ein r als Endung:

He lü (läutete) de Klocken
he harr (hatte) noch ĂĽmmer ni noog
wat sä (sagte) he?
he lee (legte) dat dor dal
se hö’, hörr, hödd (hütete) de Schaap
se störr, stödd (stieß) mi an

Es ist falsch, wenn sich heute und auch bereits in der älteren Literatur bemüht wird, die verloren gegangene Endung künstlich wieder herzustellen:

De beiden danzten . . . tosaam (SchĂĽ. 10)1
He un sien Heine . . . kloppten ganz iewrig de holten PlĂĽgg in de Sahln (SchĂĽ. 52)2
De lĂĽtten Vagein piep t e n vor Hunger (SchĂĽ. 90)3
De Lünken piepten in de Bööm (Kl., L. 1, 29)4
De Brochdörper Jungs . . . besöchten Mudder Elend mennigmal (Tr., Br. L. 22)5
Half naakt un bloot biesterten de Minschen in Feld rĂĽm (Tr., Br. L. 84)6

Bei der Bildung der zweiten und dritten Person in der Einzahl der Gegenwartsform fehlt das -t, es hat sich lautlich dem vorhergehenden Konsonanten angeglichen. Geschrieben wird dieses t zwar nach den Rechtschreibregeln von Sass, gesprochen wird es nur ganz vereinzelt:

du kĂĽmps (kommt)
he kĂĽmp
du nimms (nimmt)
he nimp
du giffs (gibst)
he giff

Bei der Nachstellung von wi fällt in einigen Fällen der bequemeren Aussprache wegen mit dem t der Endung auch der Auslaut des Wortstammes fort:

WĂĽwwi dar mal hen?
Schüwwi em mal op ’t Fell?
Hewwi noch wat?

(ursprĂĽnglich Abschnitt 34 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)


  1. Anna SchĂĽtze, Mamsell, Quickborn-BĂĽcher, Bd. 22/23, S. 10 
  2. Anna SchĂĽtze, Mamsell, Quickborn-BĂĽcher, Bd. 22/23, S. 52 
  3. Anna SchĂĽtze, Mamsell, Quickborn-BĂĽcher, Bd. 22/23, S. 90 
  4. Kloth, De Landrathsdochder, Garding 1885: Band 1, S. 29 
  5. Paul Trede, Brochdörper LĂĽd, Garding 1890, S. 22 
  6. Paul Trede, Brochdörper Lüd, Garding 1890, S. 84