4.11 Beispielsprichwörter

Gewöhnlich entsteht bei Sätzen mit Vergleichen der Witz dadurch, dass der Vergleichsgegenstand und das Verglichene zueinander passen wie die Faust aufs Auge oder dass eine witzige Erklärung hinzugefügt wird. Fast immer ist der Zweck dieser bildmäßigen Umschreibungen, etwas Gedankliches zu veranschaulichen. Durch die Wendung ins Scherzhafte wird die Anschaulichkeit verstärkt und eindringlicher gemacht.

Das Plattdeutsche ist voll von solchen bildmäßig scherzhaften Anspielungen. Besonders bezeichnend sind die Beispielsprichwörter (apologetische Sprichwörter oder Wellerismen). Der hochdeutschen Sprache, besonders im südlichen Teil des Sprachgebiets, ist diese Art der Bildmäßigkeit eher fremd. Diese Art Sprichwörter kommen besonders im norddeutschen Raum, in Skandinavien und im angloamerikanischen Sprachraum vor. Es ist manchmal auch nicht ganz einfach, diese Sprichwörter zu verstehen, da der Witz gerne versteckt ist. Erst wenn man den prinzipiellen Aufbau dieser Sprichwörter verstanden hat, erschließt sich mancher sonst verborgener Witz.

Grundsätzlich besteht ein Beispielsprichwort meist aus drei Teilen. es beginnt mit dem eigentlichen Sprichwort bzw. einer redensartlichen Äußerung. Danach folgt ein Mittelteil, in dem ein Sprecher genannt wird (welcher das Sprichwort verwendet). Zum Schluss folgt eine Beschreibung der tatsächlichen Situation, in welcher dieses Sprichwort ausgesprochen wurde.

Bei einem Beispielsprichwort wird also ein allgemein bekanntes, gewöhnlich ganz ernstes Wort oder ein Satz, der eine Lebenswahrheit umfasst, einer bestimmten Persönlichkeit in den Mund gelegt. Durch diese Nutzanwendung auf einen Einzelfall wird die ernste Weltklugheit des einleitenden Sprichwortes ins Lächerliche verdreht und eine komische und oft satirische Wirkung erzielt. Eine deftige Sprache ist ebenfalls charakteristisch für viele Beispielsprichwörter, aber es gibt auch hintersinnige Beispiele. Der Junge, das Mädchen, die Alte, der Bauer, der Teufel, der Schneider und andere Berufsstände sind Hauptträger dieser Sprichwörter. Sehr häufig werden auch Tiere als redend und handelnd eingeführt. Dadurch erhält das Sprichwort noch einen besonders komischen Beigeschmack:

Dat hett noch Tiet, sä de Jung, dor schull he en Jackvoll hebben

Laat de Oolsch man brummen, sä de Jung, dor wörr de Beedklock stött

Ik gah hier in de Beedschool, sä de Jung, dor seet he in den Paster sien Appelboom

Nu ward dat kloor, sä de Jung, dor sööp he den Rohm von de Melk

Ik schaam mi, sä de Deern, dor höll se sik en Tweernsfaden vör de Ogen

Nu dörschau ik de Saak, sä de Köksch, dor füll ehr de Born ut’n Pott

Wo wat is, dor spillt wat, sä de ool Fru, dor feeg se dat Kind ut’t Gät’nlock

Ik mutt ümmer wat üm Hand hebben, sä dat ool Wief, un söch sik de Lüüs ut’n Ünnerrock

Allns mit Maten, sä de Snieder, dor slöög he sien Fru mit de iesern Eel

Beeter is ümmer beeter, sä de Snieder, dor smeer he sik Bodder op’t Speck

Nu geiht dat ut en annern Toon, sä de Köster, dor fleit he dat Evangelium

Dat is Malöör, sä de Klempner, dor lööt he sien Näsenspitz an’n Teekeetel fast

Leeben un leeben laten, sä de Pracher, greep en Luus un sett ehr op’n Tuunpahl

Spaaß mutt sien, sä de Buur, dor kettel he sien Fru mit de Messfork

Suur maakt lustig, sä de Buur to sien Fru, dor hau he ehr de Essigkruuk op’n Kopp twei

Dor mutt’n de Saak op’n Grund kamen, sä de Buur, dor füll he in de Messkuul

Ik gah von de Welt, sä Hinnerk, do kladder he in’n Plummboom

Verännern mutt sien, sä de Düvel, dor streek he sien’ Steert gröön an

So kümmt Gotts Wort in Swung, sä de Düvel, un smeet de Bibel över’n Tuun

Nimm’t nich övel, sä de Voss, dor harr he de Goos bi’n Wickel

Dat is en schöne Insicht, sä de Voss, dor keek he in’n Goosstall

Wat de Welt doch op un dal geiht, sä de Voss, dor seet he op’n Sootswang
So wat leevt ni, sä de Aadboor, dor fünn he en doden Poch

De Saak hett en Haken, sä de Heek, dor seet he an de Angel

Ik sitt goot, sä de Katt, dor seet se op’t Speck

Beeter wiss as ungewiss, sä de Katt, dor steeg se in’n Emmer un sööp de Melk ut

Allbott helpt, sä de Mügg, un speeg in de Oostsee

Kopparbeit strengt an, sä de Oss, dor tröck he to’n eerstenmal en Ploog

Beeter wat as nix, sä de Wulf, dor freet he en Mügg

All Daag wat Nies, sä de Katt, dor brenn se sik de Snuut an den hitten Brie

Ik kann ok, sä de Annere, dor full he vun den Boom

Allns wat good is kümmt vun mi, sä de Afteeker, dor harr he puupt

(ursprünglich Abschnitt 78 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)

Weiterführende Literatur