5.5 Beiordnung durch begründende Konjunktionen

Wenn zwei Sätze in begründendem (kausalem) Verhältnis zueinander stehen, dann enthält der eine Satz eine Tatsache oder eine Behauptung und der andere deren Begründung. Oft wird der Grund angegeben, um die Tatsache oder die Behauptung zu erklären. Diese innere Beziehung zwischen den beiden Sätzen tritt in der plattdeutschen Sprache äußerlich nicht hervor. Die Zusammengehörigkeit der zwei Sätze wird nicht durch eine Konjunktion ausgedrückt. Es wird vorausgesetzt, dass man auch ohne dieses äußere Merkmal den logischen Zusammenhang begreift. Beachtenswert ist, wie leicht und ungezwungen sich die Hauptsätze auch ohne das Bindewort zusammenfügen:

Hand von’n Sack, de Haver is verköfft
Hool di an’n Tuun, de Himmel is hoch
Gah ni rut, sä de Hahn to de Katt, dat reegent di pieplings op’n Kopp
Moder, mok gau de Poort to, sä de Jung, de Kanarnvagel is ut de Buur flagen

In den Sprichwörtern der mittelniederdeutschen Zeit stufte man die Hauptsätze nach ihrer Wichtigkeit ab, bestimmte dadurch ihre Reihenfolge und ließ den Tonfall ausschlaggebend sein:

Man sal sik nich to grot holden, man wet nich, wat noch komen kann (Tun. 42)1

Sü wol to, wat du doest, wedderkeren is swar to doen (Tun. 77)1

In dieser Form wird es auch in der Literatur verwendet:

Se much em doch nich lieden, he paff ehr jümmer de lüttj Döns so voll (Tr., A. 43)2

Se tiern sik rein sunnerbor, oevermödig un unbannig, de Frieheit weer ehr to Kopp steegen (F. 2, 73)3

As wi wat eeten harrn, müss he na Huus, de Ool leet keen Freed (F. 3, 236)4

Segg sowat nich, de meisten Lüüd denkt anners as Du (F. 4, 14)5

Oolt kunnst Du gornich warrn, Du weerst al oolt vor de Johrn (F. 4, 15)5

In de Schoosterkaat weer grote Freud, Neels Kiwitt un sien Marieken harrn en Breef kreegen von ehrn Niklaas (F. 4, 64)5

Man findet zwar häufiger das verbindende denn, aber im Grunde ließe sich dieses immer einsparen ohne der Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit der Sätze zu schaden:

De Kanten weern ganz steil, denn dor woor jümmer graavt (Gr. 3, 14)6

Wenn’t jichens möglich ist, denn laat mi mit en blau Oog dorvun kommen; denn dat Leeben is doch gor to sööt (M., T. 5)7

Dor harrn se sik all rein verfehrt, denn keen een harr sik so wat denken kunnt (Tr., A. 28)2

Maria kunn sik nich loosmaken, denn se harr sik nich sülben bunnen (F. 4, 91)5

Dieses scheinbar ganz gebräuchliche und sehr beliebte denn wird in Holstein vermieden, weil dort das zeitliche denn (hochdeutsch „dann“) bevorzugt und bei jeder Gelegenheit in den Mund genommen wird. Es verwirrt, wenn das begründende denn und das zeitliche denn in einem Satz Zusammentreffen:

Son Minschenkind mutt nich oolt un schrumpelig warrn; denn hett se allens utgeeben, wat se mal harr, denn is’t en heel trurig Gestell in’n Wieverrock (F. 3, 222)4

Is möglich, dat he noch gornich ant Friegen denkt; denn wenn he mit Trina tohoop kummt, denn is he jümmer ganz nett un örndtlich geegen ehr, as sik dat höört un gebührt, över dat is’t ok rein all (M., T. 62)7

Denn to Kirch keem se leider nich oft, hauptsächlich sommers, denn weer dor ümmer to veel in’n Goren to doon (Schet. 79)8

Auch im Hochdeutschen waren „dann“, das auf eine Folge in der Zeit, der Ordnung hinweist, und „denn“ ursprünglich eins. Sie trennten sich erst im 18. Jahrhundert. Erst seit dieser Zeit konnte das „denn“, das ursprünglich auch eine Zeitfolge anzeigte, eine Folge von Gedanken, den Erläuterungsgrund angeben.

(ursprünglich Abschnitt 103 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)


  1. Antonius Tunnicius, älteste niederd. Sprichwörtersammlung 1514 (1854) 
  2. Paul Trede, Abel, Garding 1880 
  3. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 2 
  4. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 3 
  5. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 4 
  6. Groth, Gesammelte Werke, Kiel 1893 (Unveränderte Nachdrucke 1898, 1909, 1913, 1918, 1920): Band 3 
  7. Mähl, Tater-Mariken, Altona 1869 
  8. Schetelig, Lieschen Ströh un ehr Söhn, Garding 1888