4.27 Adverbien des Grades

Sehr anschaulich wirkt die im Plattdeutschen gebräuchliche Steigerung der Adjektive. Die Verstärkung des Ausdrucks wird entweder durch daneben gestellte Modaladverbien des Grades erreicht oder durch Zusammensetzung des Adjektivs mit einem zum Vergleich herangezogenen anderen Wort.
Um den Maßstab der Größe einer Eigenschaft auszudrücken, werden in der Schriftsprache gerne Adverbien wie sehr, fast verwendet. Im Plattdeutschen wird dagegen gene stark aufgetragen. Dafür gibt eine große Zahl anschaulicher Wörter:

Ik heff dat bitterlich groot nödig
Dat is ganz unbannig …
… ganz beestig
… ganz övergeben
… ganz verpeepert,
… ganz lumpsch
… ganz unmaten
… ganz verdonnert düür
Dat is mal utbenamen schöön
Dat is man so eebento groot noog
Dor is dat wull smuck kölig? (Tr., Br. L. 27)1
Wenn ik denn ganz heel groot bün (Lau, K. 23)2

Wenn man scheinbar widersprechend sagt: Dat is hellisch koolt hüüt, so hat höllisch seine Grundbedeutung eingebüßt und steigernde Kraft angenommen.

Mitunter wendet man auch einen Steigerungsgrad des Adjektivs an, um die Verstärkung zu erzielen:

Dat is gröver as groff …
… bunter as bunt
… grieser as grau
… duller as dull
Beeter is ümmer beeter, sä de Jung, do strei he op Sirop Sucker

Von einigen Adverbien des Ortes gibt es im Plattdeutschen einen zweiten Steigerungsgrad (Superlativ), der als Adjektiv gebraucht wird:

baaben > de böverst, de öbderst (der oberste)
binnen > de binnelst (der innerste)
achter > de achterst (der hinterste)
vör > de vörst (der vorderste)
midden > de middelst (der mittelste)
ünner > de ünnerst
nerrn (nedd’n) > de neddelst (der unterste)
buten > de bütelst
dat üterst Enn (das äußerste Ende)

Dat is von’n bövelsten Böön …
… von’t bövelste Boort (die beste Ware)

Do fraagt he sik na dat öbders Weertshuus hen (W. 190)3

He schall den öbdersen Barberer mal halen laten (W. 191)3

He faat dat op’n neddelsen Enn an (W. 232)3

De Kanarnvagel flünkt gans in de bütels Eck von’t Buur (P. V. 12, 8)4

Vun’t Binnerste is noch wat nableeben (Gr. 3, 227)5

An’t bütelst Füerschipp (Ki. Bl. 103)6

Zu diesen Formen gibt es keinen ersten Steigerungsgrad (Komperativ) wie im Hochdeutschen (die obere, untere Hälfte, der innere, äußere Teil), weil das Plattdeutsche auch dann stets den Superlativ gebraucht, wenn nur zwei Personen oder Sachen verglichen werden:

He is de jüngst von de beiden
Krischan weer de öllst von sin beiden Jungs

(ursprünglich Abschnitt 94 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)


  1. Paul Trede, Brochdörper Lüd, Garding 1890 
  2. Fritz Lau, Katenlüd, Garding 1910 
  3. Wisser, Plattdeutsche Volksmärchen, Jena 1914 
  4. Plattdütsche Volksböker, Garding 1914 ff., Band 12 
  5. Groth, Gesammelte Werke, Kiel 1893 (Unveränderte Nachdrucke 1898, 1909, 1913, 1918, 1920): Band 3 
  6. Kinau, Blinkfüer, Hamburg 1918