6.5 Abweichungen im Gebrauch der Präpositionen und Adverbien

Besonders starke Besonderheiten weist das Plattdeutsche in der Verwendung der Verhältniswörter (Präpositionen) und Umstandswörter (Adverbien) auf, die ihrer Entstehung nach verwandt sind und zum Teil gleich lauten. Die Mannigfaltigkeit im Gebrauch dieser Wortformen ist charakteristisch für die sprachliche Kraft der niederdeutschen Sprache. Hier können nur einzelne, vom Hochdeutschen abweichende Fälle angeführt werden:

achter:

Kannst du dor ni achter kamen? (begreifen)
Se is dor kort achter (hat wenig Geld)
He keem achter ’t Finster (ans Fenster)
Se is von achter Lübeck heer
Achterna back Eierkoken!
Een’ mit de Hand achtervöör geben

af:

Dar weet ik nix af (weiß ich nichts von)
Dar kannst op af (darauf kannst du dich verlassen)
Dat mutt dor op af (muss versucht werden)
Ik kann dat ni af (verträgt es nicht)
De Schüffel kann dat ni af
He wahnt op de Afkant (abgelegen)
de Afsiet (Abseite)
von nu af an (von un an)
von de Tiet af an (seitdem)

an:

Dat liggt an de Eer (auf dem Boden)
Ik bün mit em an west (habe mit ihm verhandelt)
De Katt güng to Böön an
Dat muss du an warden (dich daran gewöhnen)
Se seeten dicht an dicht
He frünnt an mi (ist mit mir verwandt)
Se is ni fast an de Graden (ist nicht gesund)
Is dat Licht al an?
Du kümmst je gornich wedder an’t Hus
eersan (zuerst)
af un an (ab und zu, dann und wann)

baben (boben, bawen):

Dat gifft dat baben in ’n Koop
Dat seggt he so baben Harten (ohne Herz, nicht aus Liebe)
He kriggt de Babenhand (Überhand)
Baben Water (über Wasser)
Dat is ni baben veer Johr heer (Sch. 1,75)1 (weniger als vier Jahre)
Eben boben Kuxhobn (Fock, H. J. 11)2
Babenwarts von Kellnhusen (F. 2, 94)3

bi:

Bi de Arbeit anfangen (mit der Arbeit beginnen)
Dat passt dor ni bi (passt nicht (dazu))
Se kümmt ni bi uns (nicht zu uns)
Dat fallt em so bi (fällt ihm zu, ist begabt)
Wo weest du dat bi? (woher, wovon)
Dor is gorkeen Fraag bi (ist gar keine Frage)
He is bi Schick
Dat ward bi Punnwies verköfft
Ümmer beeter bi! (immer vorwärts!)
He is bi to plögen (Missingsch: ist bei zu pflügen)
Dat füll bito (fiel daneben, vorbei)
bidess (während dessen)
bischurns (zuweilen)
een bi een (einzeln)

binnen:

Baben binnen kamen (sich verheiraten)
Dat haalt wi all wedder binnen (holen wir wieder ein)
Se weet dat von binnen un buten (auswendig)
binnenklook (überklug)
binnen in

buten:

Dat seh ik al von butento
Dat dor een butenvör blifft, is ni recht (F. 4, 167)4
Dat weet ik butenkopp(s) (auswendig)
Buten de Tiet afgahn
De Butenarbeit
butenop
buten rüm
rut na buten

günt:

Dar günt bi de groot Böök (W. 16) (jenseits der Buche)
Güntsiet de Eider (auf der anderen Seite, am anderen Ufer)
Op Güntsiet günnert

in:

He is al wedder in de Been
Ik heff dat in ’n Rüüch
Man mutt in de Tiet oppassen
He weer ni in
Morgen in ’n Dag
In Hoorn un Hemdsmaun

lang, lank (entlang, der Länge nach):

Kumm beten lang (komm ein wenig mit mir)
biweeglang, bi Weeg lank (im Vorbeigehen, unterwegs)
kopplangs (mit dem Kopf zuerst)
rüüchlangs (rücklings, mit dem Rücken zuerst)
reeglangs (der Reihe nach)
kiek mol bi mi lank ( Besuch mich mal)
dor bün ik mit lank (damit bin ich fertig)
se is dor mit lankkamen (sie ist damit durchgekommen)
mit em is langtokamen (mit ihm ist auszukommen)
verlang henfallen (der Länge nach hinschlagen)
lingerlang de Hoffsteed (der ganzen Länge nach, ganz entlang)
blangen bi (daneben, seitwärts, nebenher, nebenbei)
blangen an (nebenan, daneben)
blangen to (abseits)
Buten blangen ’t Huus stunn se noch en Ogenblick still (F. 4, 21)4
Dor staht blangen bilank an beid Sieden so ’n schöön Lin’n (W. 209)5
He … kiekt dor so feerlangs herin (W. 168) (von ferne)

mank:

Se sünd mi mank de Appeln west (zwischen den Äpfeln)
middenmank (mitten drin)
tomerrn mank (mitten drin)
mank’n anner döör (zwischeneinander hindurch)

mit:

He kreeg dat mit de Angst (bekam Angst)
Dat is em ni mit, dat is mi lang ni mit
Ik hool glieks op mit Plögen (hören mit dem Pflügen auf)
Mit Goden kümmst du wieder
He tröck mit de Schullern (zuckte mit den Schultern)
He is mit de Lüüd
He schellt mit em
Mit dessen kümmt dor ’n Voss bi em an (W. 164)5
Mit de Wiel keem er Moder (F. 3, 297)6
Mit Dagwarden (beim Morgendämmern)
mitto (bisweilen)
mitdess
mit eens (auf einmal)
mit Freden

na:

Kumm mal her na mi (her zu mir)
He is dor slimm na (nach etwas her)
na ’t Finster rin (zum Fenster hinein)
na ’n Boom rop (auf den Baum hinauf)
na See to (zur See)
se lang na de Tasch rin (in die Tasche hinein)

op:

se is rein op
He wull op em dal (auf ihn losgehen)
Se hett dat op de Ogen
He is dor leed op (ist es leid)
Dat is op de Tiet (es ist Zeit)
Se is ni op ’n Schick (fühlt sich nicht wohl)
Dor is nix op em to weeten
Dat is op un af mit em (geht auf und ab; von Kranken)
Dat geiht op Düvel kumm herut (auf Teufel-komm-raus)
Op un dop liek dick (von oben bis unten gleich dick)
op ’n Paster studeern (Theologie studieren)
op ’n Stall stahn (im Stall sein)
op ’t Reine weesen (im Reinen sein)
vollop Arbeit
op nüchtern Magen (auf nüchternen Magen)
von lütt op an (von Kindesbeinen an)
op eebenslich (unversehens, plötzlich, ohne weiteres)
opstunns (jetzt gerade)
opsteeds (jetzt, sofort)

över:

He ward em över (hat genug von ihm, ist ihm überdrüssig)
Dat ward ehr över (wird ihr zuviel)
Dat harr nix över (war nichts übrig)
Dor weer nix bi över (war nichts übrig)
Se mag dor ni över weesen (hat kein Interesse daran)
He röppt över em (ruft ihn rüber/heran)
Dags över, över Dag (tagsüber)
övernach (über Nacht, diese Nacht)
överjohr (in diesem Jahr)
överheer voll Water
överleidig (überflüssig)
över Eck
över Kopp (kopfüber)
kopplangs över
över un döver (über und über)
schraadöver
dat Huus schreeg över (das Haus schräg gegenüber)

to:

Dat is licht to (das ist einfach)
Dor harr ik keen Ahnung to (wusste ich nicht von/über)
Se sünd dor över to
to Klock tein (um 10 Uhr)
to Fröhjohr (im Frühjahr)
tokum Johr (nächstes Jahr)
dunntomalen (damals)
vörmorrnto
betherto (bisher, bislang)
tonass (nachher)
tonöss
een to Tiet
to Huus (im Haus und nach Hause)
to Wiemen
to Dörp an
to Klapp gahn (zu Bett gehen)
to Für kriegen
von darn to
von achtern to
tohööch kamen
to Oosten von de Kark (östlich der Kirche)
slech to Moot weesen (schlechte Laune haben)
goot toweeg weesen (gut Zuwege sein, gesund, frisch)
slech to Sinn
towrack weesen
toschann maken (zerstören)
to Schick kamen
liek to
todeegen
tens de Wisch
toslapen (einschlafen)

üm:

He hett veel üm ehr daan
Dor is keen Fragen üm
Se snackt sik noch üm den Hals (bringt sich in Schwierigkeiten)
Hoor üm Hoor tuuschen
Rundüm (Brotschnitte)
üm vergeevs
ümlandsher
erumlütt (alle Augenblick)
üm Johanni ut
üm Wiehnachen

ünner:

He hett de Krankheit ünner sik
Dree Daag ünner Rad
ünnertieden
ünner de Karktiet
ünnerwegens laten

ut:

He is ut (nicht da, nicht zuhause)
Dor kann ik ni mit ut
Se kümmt nich ut de Stell
Bet to Enn ut
üm Wiehnachen ut
ut ’t Finster rut (hinaus aus dem Fenster)
achterut hau’n
liekut un liekan
do is dat je all liekut (W. 128)5

von und van:

(im Westen Holsteins wird mehr van, sonst mehr von gesagt). Aber auch im Osten gibt es feste Formen mit van

vanhands
Dat weet ik von alleen (weiß ich selbst)
vonabend (heute abend)
vondaag (heute)
von Wiehnachen an
von de Tiet af an
von dunn af an
von lütt af an
von in ’n Sommer heer
jüss von Pass
en Slüngel von Jung
Wenn du Bruut warrst von ’t Johr, kriggst een af! (F. 3, 298)6

vör (vor und für):

He leeg lang vor ’n Dokter (F. 2, 283)3
He kann ni trüch un ni vörs
Se leeg dor vör doot
Dat is ni vör ümsünst
Nimm mi dat nich vör övel (nimm es mir nicht übel)
Dor pass ik ni vör
Dat is goot vör de Wehdaag (gut gegen Schmerzen)
Gaht bet vörs!
Vörnamiddag
vörmorrnto
vör ’n Tietlang
tovörn (früher)
vör ’n Narren (vernarrn) hooln (für dumm verkaufen)
verdwass un verdweer (durcheinander)
vör duli un blind
vör oold kopen
vörföötsch weg
vörstorm
Dat geiht los, nu aver förrecht! (F. 4, 148)4

Für einige hochdeutsche Präpositionen hat das Plattdeutsche kein entsprechendes Wort und wendet sinngemäße Umschreibungen an. Falsch ist es, die hochdeutsche Präposition den Lauten nach ins Plattdeutsche zu übertragen:

siet dortig Johrn (Gr. 3, 170)7
Abel liggt hier siet ehrgüstem (F. 4, 129)4
siet Adam un Eva (Tr., Br. L. 72)8
staats Ööl un Koken (Gr. 3, 349)7
trotz sien seli Moder (Gr. 3., 136)7
uter de ool Meddersch (Gr. 3, 344)7
uter ehr Gebet (Schü. 36)9

Einige Adverbien des Ortes treten im Plattdeutschen an die Stelle der Begriffe „nichts, etwas, alles“, wenn sie von einer Präposition abhängig sind:

He weet gor narms wat af
Dat süht narms na ut
Hett se … noch gor narms nafraagt? (KL, L. 1, 91)10
Du büst ok narms to to bruken (M., T. 79)11
He höör narms mit to (Lau, K. 54)12
Aver se will je narms mit heraf (W. 108)5
Ik wull Ehr man wur’ns na fragen (Kl., L. 1, 116)10
He bill sik je wull wurrns wat op in (Kl., L. 2, 209)10
Eenerwegens is dat doch wull goot to?
He will allerwegens wat von af hebben, fangt allerwegens Striet mit an

(ursprünglich Abschnitt 126 in Meyers Buch “Unsere Plattdeutsche Muttersprache”)


  1. Schütze, Holsteinisches Idiotikon, Altona 1800/06: Band 1 
  2. Hamborger Janmooten, Hamburg 1914 
  3. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 2 
  4. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 4 
  5. Wisser, Plattdeutsche Volksmärchen, Jena 1914 
  6. Fehrs, Gesammelte Dichtungen in vier Bänden, Hamburg 1913: Band 3 
  7. Groth, Gesammelte Werke, Kiel 1893 (Unveränderte Nachdrucke 1898, 1909, 1913, 1918, 1920): Band 3 
  8. Paul Trede, Brochdörper Lüd, Garding 1890 
  9. Anna Schütze, Mamsell, Quickborn-Bücher, Bd. 22/23 
  10. Kloth, De Landrathsdochder, Garding 1885 
  11. Mähl, Tater-Mariken, Altona 1869 
  12. Fritz Lau, Katenlüd, Garding 1910